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Hoftheater-Premiere: »Gianni, Ginetta und die anderen» - Keine Mono-, keine Bi-, sondern eine Quatrogamie

Lippe aktuell, 09.06.1999

Detmold (jus). Eine Frau läßt die Puppen bzw. ihre Männer tanzen, und sie gehen wie am Schnürchen des Gängelbands ihrer potentiellen Vaterschaft - Das ist das Thema, das Lina Wertmüller, die italienische Autorin, in ihrer witzigbissig-ironischen Komödie »Gianni, Ginetta und die anderen«, die am Freitag abend im Hof des Landestheaters Premiere hatte, verarbeitet hat. Ein Stück, das in dieser spezifischen Ausprägung wohl typisch italienische Züge trägt: der Mann als Machismo, heißt er nun Gianni, Pierluigi, Luca oder Marco, und treusorgender Ehemann, sobald die Geliebte künftigen Mutterfreuden entgegensieht - und dann abgöttisch liebender Vater seiner ach so entzückenden Bambini. Dieser Stoff ist für ein »Hofical«-Etikettierung des Spektakels durch den Regisseur Dirk Böhling-, dieser Mischung aus Hoftheater und Musical, wie gemacht. Und das Motto von Frank Sinatra: »Eine Frau macht niemals einen Mann zum Narren, sie sitzt bloß dabei und sieht zu, wie er sich selbst dazu macht«, könnte nicht besser gewählt sein. Was geschieht? - Eine Frau dreht den Spieß der sanktionierten Konventionen um: die Seitensprünge ihres Geliebten beantwortet sie mit ebensolchen, und als sie schwanger ist, macht sie ihre vier Liebhaber, die alle potentielle Vater sein könnten, zu Lakeien ihrer Macht, der Macht ihres Bauches. Das funktioniert: Gianni, Ginettas eigentlicher Freund, dargestellt von Manfred Ohnoutka, rast vor Eifersucht, als er entdeckt, daß seine Freunde, der Drehbuchautor Pierluigi / Jan Maak, der Schauspieler Luca / Markus Hottgenroth und der Producer Marco /Andreas Plücken, sich ebenfalls als mögliche Väter entpuppen und sich rührend um die Schwangere bemühen. Die Männer liegen Ginetta zu Füßen, und sie weiß die Situation meisterhaft für sich zu nutzen. Für ihr Baby hat sie zuverlässige 25-Prozent-Väter, die sich alle lOO prozentig einsetzen.

Als sie jedoch in einer schwachen Stunde Gianni, dem eigentlich ihre Liebe gehört, erliegt und dieser schon triumphierend sein Ziel, das traute konventionelle Familienglück, nahe vor Augenlicht, schafft sie wiederum ganz bewußt Verwirrung, indem sie das Spiel, sich mit Giannis Freunden in bestimmter Absicht zu verabreden, von vorne beginnt. - Ein amüsantes Spiel der Macht -oder der Liebe? - von einer Frau, die sich nicht beherrschen lassen will und sieb nicht scheut, geheiligte Kühe der Konvention auf der Schlachtbank zu opfern. - Diese Desillusionierung erfordert geradezu ein heiter ironisches Gesicht, und das haben ihr Dirk Böhling. Regie; Juliane Wulfgram, Dramaturgie und Michael Engel mit seinem knallbunten, poppigen Bühnenbild und den fahrbaren Requisiten, die nicht nur das Tempo beschleunigen, sondern auch die Aufhebung festgezurrter Konventionen betonen, gegeben. Die von Daniel Wahren komponierte und am Premierenabend am Keyboard gespielte Musik, macht das ganze erst zu dem ,was es ist: Spaß pur.

Nicht unerheblich tragen dazu die Protagonisten des Abends bei - köstlich das dreiblättrige Kleeblatt: Pierluigi /Jan Maak, Luca/ Markus Hottgenroth und Marco/ Andreas Plücken. Und der Song »Sie und ihr Cappucino Bilbao« der vier potentiellen Väter mit der Choreographie von Jutta Wörne ist der Hit des Abends ganz abgesehen von dem Pärchen, Ginetta / Sabine Urban und Gianni / Manfred Ohnoutka, und der die ganze Konfusion des Stückes auslösenden Monica /Jacueline/Christine Stienemeier- nicht zu vergessen das Ambiente mit dem unverzichtbaren Cappucino Bilbao und den anderen kulinarischen Genüssen. Einziger Wermutstropfen: der Umgang milder Akustik des Hofes ist nicht unproblematisch. Es schein nicht leicht, die richtige Phonstärke zu finden, um verstanden zu werden und dennoch nicht zu überschreien. - Dem Wettergott ist ein extra Dank zu zollen. Just als das Stück begann, konnten die Regenschirme geschlossen werden, um den Blick auf die Bühnen frei zu geben -nichts war ins Wassergefällen. Wer die ins Ohr gehenden Songs quasi gepreßt nach Hause tragen möchte, dem bietet sich die Gelegenheit nach dem 11. Juni in Form einer CD, erhältlich im Landestheater.