Pressestimmen

Ein Abzocker allererster Sahne - Dirk Böhling inszeniert in Bremerhaven die Komödie „Und ewig rauschen die Gelder“ mit viel Tempo

Nordseezeitung VON ANNE STÜRZER

Die Komponistin auf dem Hundertmarkschein grinst sich eins. Wie Clara Schumann hat auch Regisseur Dirk Böhling Musik im Blut. Er macht aus der Farce "Und ewig rauschen die Gelder" im Großen Haus eine immer schneller werdende Komposition, die selbst bei der Applausordnung nicht aus dem Takt gerät. Den anderen Geldschein-Größen, die von den Wänden des spießigen Wohnzimmers lächeln, ist am Ende sogar ein bisschen schwindelig.

Kein Wunder, sie haben spätestens beim kompletten Bericht von Mr. Jenkins den Überblick verloren: "Als der gichtgeplagte Mr. Thompson das Formular für seine Erwerbsunfähigkeitsrente unterschrieben hatte, war Mr. Swan nicht da, um zu bestätigen, dass Mr. Thompson hier gewohnt hat. Man stellte mir seinen Pflegesohn Dickie-Willie John Thomas vor, einen tauben, arbeitslosen Klavierstimmer. Nachdem ich Mr. Swan auf dem Dach gesucht hatte, entdeckten wir, dass er bereits früher am Morgen infolge eines Zusammentreffens mit einer soliden Eichentüre gestorben war. Nunmehr sollte Mrs. Swan herbeigeholt werden. Somit wären Sie fast auf dem Laufenden, bis auf die kürzlich verwitwete Stiefmutter von Dickie-Willie, die Tapete isst." Alles klar"

Die Gag-Maschinerie läuft in der Sozialamts-Klamotte von Michael Cooney wie geschmiert. Geld regiert die Welt - nicht nur bei den Reichen und Schönen, sondern auch bei den Arbeitslosen und Sozialhilfe-Empfängern. Doch wehe dem, der lügt. Eric, der vor zwei Jahren seinen Job verloren hat, verfängt sich in seinem Lügengestrüpp.

Dollarzeichen auf der Tapete

Wenn er einmal reich war': Eric ist ein Abzocker allererster Sahne, der seinem Haushalt immer mehr fiktive Personen einverleibt, die von der Stütze leben, Witwenrente beziehen oder einen Zuschuss zur Schulmilch bekommen. Sein grandioses System der Täuschung entwickelt eine einträgliche Eigendynamik. Die Tapete im Hause Swan zieren denn auch folgerichtig keine Blümchen, sondern Dollar- und Eurozeichen. So kleinbürgerlich wie die Sofagarnitur mit bestickten Kissen und die Schrankwand mit Buchattrappen, so abgedreht ist die Handlung. Ungebremst rattern die Slapstick-Nummern über die Bühne. Michael Cooney beherrscht bravourös das Einmaleins der Boulevardkomödie. Er lässt kein Klischee aus, weder den Toten im Kleiderschrank, die ahnungslose Ehefrau noch etwas dummdreiste Sprachspiele, in deren Verlauf "herzlose Flittchen" zu "herzhaften Schnittchen" mutieren.

Der britische Autor liefert Verwechslungen am laufenden Band. Eric Swan verwandelt sich in den gichtgeplagten Mr. Thompson, aus dem Untermieter Norman Basset wird der Vermieter Swan, der Mann vom Sozialamt wird für einen vom Gesundheitsamt gehalten und, und, und. Cooney lässt seine Figuren mit Wonne aneinander vorbeireden, während der eine von seiner Hochzeit träumt, denkt die andere an die bevorstehende Beerdigung. Zum Schluss würzt Cooney das Ganze noch mit einer Prise "Charlys Tante".

Leises Plong

Regisseur Böhling hat den inneren Rhythmus dieser Farce wie ein Musikstück interpretiert. Leitmotive, wie ein paar Takte aus Beethovens "Neunter" oder ein leises Plong, sorgen für musikalische Untertitel. Nach einem langsamen Auftakt zieht die Geschwindigkeit deutlich an, bis sich am Ende die Ereignisse überschlagen und Waschmaschinen zu tanzen anfangen. Tempo, Tempo, Tempo. Türen gehen auf und zu, Personen verschwinden und kommen als andere wieder hervor. Bei so viel Bewegung ist es nur konsequent, dass Böhling auf die neue Technik verzichtet und sich von Bühnenbildnerin Susanne Sommer ein. zweistöckiges statisches Wohnhaus bauen ließ. Die wild gewordenen Bewohner und ihre Besucher haben sichtlich Freude an dem Tohuwabohu.

Kay Krause als Eric Swan ist ein Vollblutkomiker, der den Zuschauern die Lachtränen in die Augen treibt. Er spielt ein nervenaufreibendes Rückzugsgefecht, verschmitzt und mit trockenem Humor. Sein Partner dabei ist Ulrich Gall, der nervenschwache Untermieter, der Eric nur widerwillig zur Seite steht. Auch Gall ist in seinem Element, sein tauber Klavierstimmer mit der tropfenden Nase ist ein Kleinbürger von der komischen Gestalt. Guido Fuchs als pedantischer Mr. Jenkins ist ein trotteliger Beamter, dem die Betrüger auf der Nase herumtanzen und den seine altjüngferliche Chefin (wie immer großartig; Christel Leuner) herumkommandiert.

Lispelndes Blondchen

Die geschockte Mrs. Swan (Stefanie Knauer), eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, hat falsche Erkenntnisse am laufenden Band, die sie in die Arme von Dr. Chapmann (Berndt Stichler) treiben, der aber mehr mit sich selbst als mit dem Fall beschäftigt scheint. Bis in die Nebenrollen ist die Spielfreude ungetrübt. Das lispelnde Blondchen (Isabella Wolff) und der scheintote Onkel George (Günter Pirow) runden das gut aufgelegte Ensemble ab. Und die Moral von der Geschieht'" Die gibt es nicht. Die britischen Filmkomödien "Ganz oder gar nicht" oder "Brassed off" sind von einem ganz anderen Kaliber, weil sie den bedrückenden Hintergrund auch ernst nehmen und nicht nur als Vorlage für schnelle Witze. Die Zuschauer halten sich zwar während der Vorstellung den Bauch vor Lachen, doch das rasante Unterhaltungstheater ist - im Gegensatz zu den britischen Filmen - auch schnell vergessen.