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Die leichte Muse ist befreit vom Muff - "Der Vogelhändler" ist in Bremerhaven schwungvoll

Nordseezeitung VON THOMAS KOEPPEN

Bremerhaven. „Achtung, wir drehen die erste Szene.“ Aufnahmeleiter Hubert gibt das Startsignal. Der Regisseur sitzt angespannt auf seinem Stuhl. Mit weit ausholenden Gesten gibt er seiner blauhaarigen Assistentin Anweisungen. „Ton ab. Kamera läuft.“ Nun wird's ernst. Die Kamera schwenkt von links nach rechts, von rechts nach links, immer auf der Suche nach der Action. Schauspieler Giselheer Hufenreuther betritt die Szene. „Grüß Euch Gott, alle miteinander“, singt er in der Rolle des Adam. Filmstudio und Theaterbühne - das Publikum bekommt beides. Carl Zellers Operettenklassiker „Der Vogelhändler“ als Filmprojekt - das ist leichte Muse, befreit vom Muff althergebrachter Regietradition. Dirk Böhling bezeichnet seine Inszenierung für das Bremerhavener Stadttheater als Experiment. Es ist gelungen, wie die Premiere in der Musik- und Theaterhalle der Carl-Schurz-Kaserne zeigt.

Böhling nimmt das Werk auseinander, schneidet Überflüssiges ab, fügt die Teile wieder zusammen und hält sie mit einer selbst geschriebenen Rahmenhandlung, dem Filmset, zusammen. Trotz einiger Längen in den werkfremden Dialogen (sie überbrücken die Umbaupausen) bekommt das Werk nach dieser Frischzellenkur ein temperamentvolles und homogenes Eigenleben. Der Regisseur hat das Original so sinnreich gekürzt und um neue Elemente ergänzt, dass der Zuschauer den ursprünglichen „Vogelhändler“ wohl kaum vermisst. Schnitt. "Aus!" ruft der Filmregisseur Francois Bidet mitten in der schönsten Operettenseligkeit. Er greift ein, korrigiert und gibt das Spiel dann wieder frei. „Bitte Ruhe. Ton ab. Kamera läuft. Klappe 51/1 III.“ Die Kommandos holen das Publikum aus der Zauberwelt der Operette zurück in die Scheinrealität des Filmstudios. Böhling fügt diese ständigen Wechsel und Unterbrechungen so geschickt und elegant ein, dass Zellers Evergreen nichts von seinem Reiz verliert. Es bleibt Raum für Schmelz, Schmalz und Romantik, für Stimmungen und Gefühle, und es bleibt Raum für die klangvollen, unverwüstlichen Melodien, schwungvoll, dynamisch und nuancenreich interpretiert vom Städtischen Orchester und dem engagierten Kapellmeister Hartmut Brüsch.

Amüsante Hektik

Die Inszenierung ist so gut, wie die räumlichen Verhältnisse es zulassen. Daran orientiert sich auch die ebenso zweckmäßige wie sinnvolle Ausstattung der Bühne (Ekkehard Kröhn). Die Bühne in der Kaserne lässt keine fließenden und variantenreichen Szenenwechsel zu. Der Spielverlauf ist Schema F: Auftritt, Abtritt. Aber Böhling gibt dem Spiel so viele Ideen und Witz, dass ihm dieses Manko keinen Punktabzug einbringt. Neben der amüsanten Hektik beim Filmset mit all den Eitelkeiten und Macken der Filmleute entwickelt Böhling sehr schöne, stimmungsvolle und auch heitere Operettenbilder. Zum Beispiel beim Lied des Adam („Wie mei Ahnerl“), im Duett "Schenkt man sich Rosen in Tirol" und im Professoren-Duett „Ich bin der Prodekan“.

Das Ensemble - die meisten Akteure haben wegen der Rahmenhandlung einen Doppeleinsatz -lässt sich vom Schwung der Inszenierung mitreißen. Allen voran Burkhard Fritz (Vogelhändler/Filmschauspieler Giselheer Hufenreuther) mit seinem klaren, geschmeidigen Tenor, dann Daniela Stuckstette (Christel, Schauspielerin Wiebke Brahms), deren schlanker Sopran durch einige klangschöne Spitzentöne auffällt, und der Tenor Christoph Kayser, der vor allem den hektischen Filmregisseur Francois Bidet trefflich charakterisiert und als Graf Stanislaus im Walzerduett „Mir scheint, ich kenn dich spröde Fee“ seine wenig tragfähige Stimme gut zur Geltung bringt. Susanna Pütters, ausgestattet mit einer vollen Sopranstimme, gestattet ihre Doppelrolle Kurfürstin/Schauspielerin Gundula Denz mit Charme und Gefühl; Klaus Damm, einmal der gewitzte Baron Weps, dann auch der leicht schusselige Schauspieler Paul Schnepfler, erweist sich erneut als agiler Spielbass mit ausgeprägter Neigung zum Humor.

Ob Katarzyna Kuncio (Baronin Adelaide/Schauspielerin Angel Gerard), Benno Remling (Maskenbildner Ronnie/Professor Süffle), Günter Pirow (Requisiteur Alfred/Professor Würmchen), Iris Wemme (Regieassistentin Jenny), Karin Robben (Garderobiere Saskia) und Jürgen Möller als echter Kameramann vom Offenen Kanal - sie alle mischen munter mit in diesem heiteren Spiel. Auch der klar und harmonisch singende Chor (Einstudierung Thomas Runge), der jedoch oft an Bewegungsarmut leidet.